Lektion #4

Gerechtigkeit

Warum nachhaltig investieren wichtig ist

Während es in den ersten drei Lektionen darum ging, unser Geld möglichst effizient und gleichzeitig sicher für uns arbeiten zu lassen, wird es in Lektion vier richtig philosophisch: Wir wollen uns damit beschäftigen, warum nachhaltig Investieren für uns Stoiker eine wichtige Rolle spielt und zeigen, wie Gerechtigkeit in Sachen Geldanlage aussehen kann. Lass uns zunächst ganz allgemein über Gerechtigkeit als stoische Grundtugend sprechen.

Gerechtigkeit ermöglicht uns, mit anderen Menschen in Harmonie zu leben und fair, respektvoll und gleichberechtigt mit ihnen umzugehen – unabhängig von deren Status, Ansehen, Aussehen und anderen sozialen Kriterien. Handelt jeder von uns gegenüber seinen Mitmenschen fair und gerecht, ist das die Basis für ein friedliches, produktives und schaffendes Miteinander. Als Stoiker ist uns bewusst, dass wir nur in einem solchen Umfeld alle unsere Tugenden wie Mut, Selbstbeherrschung und Wissen entwickeln und zur vollen Entfaltung bringen können. Ein feindliches oder gar kriegerisches Umfeld wird kaum Raum dafür bieten.

„Gerechtigkeit ist die Grundlage aller Tugenden.“

Cicero, römischer Philosoph
Quelle: leonardo.ai

Tue das Richtige

… auch bei der Geldanlage


Darum ist es unsere stoische Pflicht, anderen gegenüber fair und gerecht zu handeln. Es bedeutet, das Richtige zu tun, unabhängig von den eigenen Interessen. Darüber hinaus respektieren wir die Gesetze der Vernunft und der Gemeinschaft. Für uns Stoiker spielt Gerechtigkeit daher auch beim Investieren eine elementare Rolle. Aber wie könnte eine nachhaltige Geldanlage aussehen?

Geld fair anlegen

So wird’s gemacht – und so nicht!


Wenn wir unser Geld fair anlegen möchten, dann hört sich das zunächst kompliziert an. „Wie soll ich überprüfen, was der Empfänger meines Investments mit meinem Geld anstellt?“ Tatsächlich hast du nicht die Möglichkeit, jeden deiner Euros zurückzuverfolgen. Wer sich bezüglich seiner Investments allerdings ein paar grundlegende Fragen stellt, der entwickelt ein Gefühl dafür, wie gerecht dieses Investment sein könnte.

Aktien


Als Aktionäre sind wir Anteilseigner eines Unternehmens. Zwar ein sehr kleiner, aber uns gehört ein kleines Stück vom Unternehmen, dessen Aktien wir gekauft haben. Als Mitbesitzer solltest du dir bezüglich Gerechtigkeit die folgenden Fragen stellen, bevor du investierst: Schließlich handelt das Unternehmen am Ende auch irgendwo in deinem Namen.

  • Helfen die Produkte deines Unternehmens seinen Kunden? Oder schaden sie ihnen? Denk beispielsweise an Glückspiel- oder Tabak-Aktien.
  • Gab es in der Vergangenheit Vorfälle, in denen das Unternehmen ungerecht ohne Rücksicht auf Gerechtigkeit gehandelt hat? Beispielsweise fielen Bank-Aktien immer wieder durch Betrugs- und Manipulationsfälle auf. Als stoischer Investor sollte man solche Investments kritisch hinterfragen, wenn man sein Geld fair anlegen möchte.
  • Schau dir kurz die Vita des aktuellen CEOs an: Ist er seit Jahren tief mit seinem Unternehmen verwurzelt? Oder steht an der Spitze eher ein Boss, der von Konzern zu Konzern zieht – stets auf der Jagd nach der nächsten Bonuszahlung? Ein solches Management tendiert in der Regel eher zu ungerechtem Verhalten, da es meist sehr kurzfristig orientiert ist und langfristige Folgen ungerechten Verhaltens entsprechend eher ausgeblendet werden.
  • Auf glassdoor.com können Mitarbeiter ihren Arbeitgeber bewerten. Wird ein Unternehmen überdurchschnittlich gut von seinen Angestellten bewertet, spricht dies für eine gute Firmenkultur – und damit für ein Management, das den Wert von Gerechtigkeit verstanden hat.
Quelle: leonardo.ai

ETFs und Aktienfonds


Sowohl Aktienfonds als auch ETFs sind Körbe voller Aktien. Sie bestehen oft aus mehreren hunderten – oder gar tausenden – von Einzelwerten. Selbstverständlich kannst du daher nicht jeden einzelnen Wert eines Fonds oder ETFs auf Gerechtigkeit analysieren, das wäre schlichtweg zeitlich nicht möglich. Es gibt jedoch Sammelanlagen, die sich bei der Auswahl ihrer Einzelwerte dazu verpflichten, gewisse Kriterien im Hinblick auf nachhaltige Geldanlage zu erfüllen.

Quelle: justETF.com

Wenn du dich schon ein wenig mit ETFs beschäftigt hast, dann ist dir bei einigen vielleicht der Zusatz SRI aufgefallen. Doch was bedeutet SRI bei ETFs eigentlich? SRI steht für „Socially Responsible Investing“, also für sozial verantwortliches Investieren. Hört sich nicht schlecht an, jedoch stecken hinter diesem Label keine fest definierten Kriterien. Und weil keine einheitliche Definition vorhanden ist, legen verschiedene Fondsanbieter und Indexersteller unterschiedliche Maßstäbe und Prioritäten an, was als „sozial verantwortliche Investition“ gilt. Sich blind auf das Label SRI zu verlassen, ist entsprechend nicht zielführend. Es ist ein Indikator für Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit – aber eben keine Garantie. Ein Blick in den Fonds- oder ETF-Prospekt ist daher leider unerlässlich, wenn wir uns wirklich ein Bild von den Nachhaltigkeitskriterien machen möchten. Die Frage „Was bedeutet SRI bei Fonds“ kann genauso beantwortet werden: SRI ist ein Indikator für Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit – garantiert aber nichts.

Quelle: justETF.com

Auch das ESG-Label bietet leider keine einheitlichen Definitionen bezüglich Umweltschutz, Nachhaltigkeit sowie sozialer Gerechtigkeit. ESG steht für Environmental, Social and Governance und bezieht sich auf drei zentrale Kriterien, die Investoren bei der Bewertung von Unternehmen oder Anlagen berücksichtigen. Bei Fonds und ETFs bedeutet ein ESG-Label, dass diese Investitionen nach bestimmten ökologischen, sozialen und unternehmensführungsbezogenen Kriterien bewertet und ausgewählt wurden.

Environmental (Umwelt): Bezieht sich auf den Umwelteinfluss eines Unternehmens. Das kann Aspekte wie den CO2-Fußabdruck, die Nutzung erneuerbarer Energien, das Abfallmanagement und den Umgang mit Ressourcen umfassen.

Social (Soziales): Betrifft den Umgang eines Unternehmens mit Mitarbeitern, Kunden und der Gesellschaft im Allgemeinen. Dazu gehören Themen wie Arbeitsbedingungen, Menschenrechte, Diversität, Konsumentenschutz und die Beziehung zur Gemeinschaft.

Governance (Unternehmensführung): Hier geht es um die Führung und Kontrolle eines Unternehmens. Wichtige Aspekte sind Unternehmensethik, Transparenz, die Struktur des Vorstands, Korruptionsbekämpfung und Aktionärsrechte.

Doch wie bereits erwähnt: Ohne einheitliche Kriterien kann jeder Fonds- beziehungsweise ETF-Anbieter eigene Maßstäbe an die drei genannten Kriterien anlegen, weshalb das ESG-Label im Namen erst mal nicht viel aussagt. Außer vielleicht, dass die wirklich schlimmen Unternehmen höchstwahrscheinlich ausgesiebt wurden. Ein genauer Blick in die Datenblätter der Indexanbieter bleibt uns entsprechend nicht erspart, wenn wir wirklich sicher sein wollen, dass auf Gerechtigkeit geachtet wird.

Quelle: canva.com

Die gute Nachricht: Der Indexanbieter MSCI hat einen Score mit einheitlichen Kriterien erschaffen, das sogenannte MSCI ESG Fondsrating. Ähnlich wie Ratingagenturen für Staaten und Banken eine Bewertung bezüglich deren finanzieller Stabilität abgeben, so bewertet MSCI mit diesem Score Unternehmen nach deren Nachhaltigkeit. Die drei Kriterien sind die oben genannten: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.

AAA bis AA (Leader): Diese Fonds enthalten Unternehmen, die im Vergleich zu ihren Branchenkollegen führend in Bezug auf ESG-Kriterien sind.

A bis BBB (Average): Diese Fonds enthalten Unternehmen mit durchschnittlicher ESG-Performance.

BB bis CCC (Laggard): Diese Fonds enthalten Unternehmen, die im Vergleich zu ihren Branchenkollegen eine unterdurchschnittliche ESG-Performance aufweisen.

Wer auf Fonds- und ETFs mit einem MSCI-ESG-Fonds-Rating von AAA oder AA setzt, der schließt damit zwar nicht automatisch jedes schwarze Schaf aus. Aber zumindest sind die im Branchenvergleich saubersten, gerechtesten sowie bestgeführten Unternehmen enthalten.

Quelle: leonardo.ai

Rohstoffe


Wer in Rohstoffe wie Gold, Silber oder Platin investiert, der muss damit rechnen, dass sein Rohstoff unter fragwürdigen Bedingungen gefördert wurde. Während Großkonzerne sich zumindest formal um Arbeitsverträge, Arbeitsschutzmaßnahmen und medizinische Versorgung kümmern, findet der sogenannte „Kleinbergbau“ oftmals unter unmenschlichen Bedingungen statt. Insbesondere in Afrika und Südamerika kommt es zu Kinderarbeit, Arbeit ohne ausreichende Schutzmaßnahmen oder Dumping-Löhnen.

Wer sich dennoch für Investments in Rohstoffe entscheidet, der kann gezielt auf Anbieter setzen, deren Rohstoffe von einer unabhängigen Stelle bezüglich nachhaltiger Förderung zertifiziert wurden. Bei Gold sind das beispielsweise das Fairtrade-Gold-Zertifikat, das Fairmined-Gold-Zertifikat oder das Responsible-Jewellery-Council-Zertifikat.

Quelle: leonardo.ai

Kryptowährungen


Solide Kryptowährungen wie der Bitcoin funktionieren auf einem beinahe unveränderbaren Regelwerk. Wer auf einen sicheren Erwerb und eine anschließend sichere Verwahrung seiner Kryptowährungen achtet, findet in Kryptowährungen daher gerechte – weil klar definierte und nicht manipulierbare – Netzwerke, welche unseren stoischen Vorstellungen von Gerechtigkeit sehr nahekommen.

Geldanlage bei nachhaltigen Banken


Wer nach einer „gerechten“ Bank für sein Tages- oder Festgeld sucht, der wird sowohl im Netz als auch im echten Leben nicht fündig werden. Lass uns deshalb mit einem anderen, geläufigeren Schlagwort beginnen: Wir möchten unser Geld bei einer „nachhaltigen Bank“ anlegen. Doch was unterscheidet eine nachhaltige Bank eigentlich von einer konventionellen? Kurz gesagt: Es geht um mehr als nur Renditeoptimierung – es geht um nachhaltige Geldanlage. Nachhaltige Banken legen ihren Fokus nicht allein auf die Maximierung von Gewinnen und Renditen, sondern auch auf ethische, ökologische und soziale Kriterien bei der Vergabe von Krediten und der Anlage von Geldern. Das klingt doch schon mal nach Gerechtigkeit, oder? Doch welche konkreten Vorteile bieten sie insbesondere in Bezug auf Gerechtigkeit gegenüber konventionellen Banken?

Erstens: Die bewusste Kapitalverwendung. Nachhaltige Banken investieren ausschließlich in Projekte, die der Umwelt oder der Gesellschaft zugutekommen. Dazu gehören beispielsweise erneuerbare Energien, biologische Landwirtschaft oder soziale Einrichtungen. Wenn du also dein Geld bei einer nachhaltigen Bank anlegst, kannst du dir sicher sein, dass es nicht in Branchen wie fossile Energien, Waffenproduktion oder Kinderarbeit fließt. Das gibt dir nicht nur ein gutes Gefühl, sondern trägt auch aktiv zu einer besseren Welt bei.

Zweitens: Transparenz. Bei nachhaltigen Banken wird großer Wert darauf gelegt, dass du genau weißt, wo dein Geld steckt. Viele dieser Banken veröffentlichen detaillierte Berichte darüber, wie und in welche Projekte sie investieren. Diese Transparenz gibt dir die Möglichkeit, nachzuvollziehen, wie dein Geld arbeitet, und sicherzustellen, dass es den ethischen Standards entspricht, die dir wichtig sind.

Drittens: Stabilität. Oft wird behauptet, dass nachhaltige Investitionen geringere Renditen bringen. Das mag kurzfristig in einigen Fällen zutreffen, doch langfristig betrachtet bieten sie oft eine stabilere und nachhaltigere Wertentwicklung. Das liegt daran, dass nachhaltige Unternehmen oft weniger anfällig für Skandale oder Umweltkatastrophen sind, die den Aktienkurs nach unten treiben könnten.

Natürlich gibt es auch Herausforderungen, wie zum Beispiel die möglicherweise etwas geringeren Zinsen auf Spareinlagen. Doch wenn dir Gerechtigkeit und der nachhaltige Einsatz deines Geldes wichtig sind, sind nachhaltige Banken eine sinnvolle Alternative zu konventionellen Banken, über die wir Stoiker zumindest einmal nachgedacht haben sollten.

Anbei findest du einige deutsche, nachhaltige Banken. Neben Standardprodukten wie einem Girokonto bieten die meisten auch Tages- sowie Festgeldkonten sowie Investmentprodukte an.

Beispiele für nachhaltige Banken:

  • Tomorrow
  • Umweltbank
  • Ethikbank

Gerechtigkeit vs. Gewinn

Kostet mich Nachhaltigkeit Rendite?


Wie bereits bei den nachhaltigen Banken angedeutet, kann eine nachhaltige Geldanlage – und damit eine gerechtere Geldanlage – durchaus etwas Rendite kosten. Wer beispielsweise das bestverzinste Tagesgeldkonto haben möchte, der wird mit äußerst hoher Wahrscheinlichkeit bei keiner der eben genannten, nachhaltigen Banken landen. Doch wie sieht es bei anderen Assets aus – beispielsweise bei Aktien? Lass uns hierzu die langfristige Performance von konventionellen ETFs mit ihren nachhaltigen Pendants vergleichen.

Für diesen Vergleich habe ich die beiden iShares-ETFs auf den MSI World gegenübergestellt – einmal nachhaltig, einmal konventionell (das ist der mit „SRI“ im Namen).

 iShares Core MSCI World ETFiShares MSCI World SRI ETF
Wertpapierkennummer (WKN)A0RPWHA2DVB9
Gesamtkostenquote TER0,20 %0,20 %
enthaltene Einzelwerte1.429410
Quelle: justetf.com

Im Vergleichszeitraum zwischen Oktober 2017 und August 2024 hat die nachhaltige Variante um über 3 % besser abgeschnitten als der „normale“ ETF auf den MSCI World.

Quelle: justetf.com

Im zweiten Vergleich werfen wir einen Blick auf zwei ETFs, die den S&P 500 nachbilden – einer mit nachhaltiger und einer mit konventioneller Ausrichtung. Der S&P 500 umfasst die 500 größten börsennotierten Unternehmen aus den USA.

 Invesco S&P 500 UCITS ETFInvesco S&P 500 ESG ETF
Wertpapierkennummer (WKN)A1CYW7A2PX8A
Gesamtkostenquote TER0,05 %0,09 %
enthaltene Einzelwerte503321
Quelle: justetf.com

Im Zeitraum zwischen März 2020 und August 2024 konnte der nachhaltig ausgerichtete ETF seinen „Standard-Bruder“ um mehr als 10 % outperformen. Bemerkenswert: Er schaffte diese Outperformance trotz einer fast doppelt so hohen Gesamtkostenquote.

Quelle: justETF.com

Abschließend wollen wir einen Blick auf unseren deutschen Leitindex, den DAX, werfen.

 iShares Core DAX ETFiShares DAX ESG ETF
Wertpapierkennummer (WKN)593393A0Q4R6
Gesamtkostenquote TER0,16 %0,12 %
enthaltene Einzelwerte4040
Quelle: justetf.com

Und auch im dritten Vergleich hat die nachhaltige Variante knapp die Nase vorne. Auch wenn beim DAX-ETF sicherlich die niedrigere TER Einfluss auf das Ergebnis hat, ändert das nicht an der Beobachtung, dass nachhaltige ETFs in den letzten Jahren sogar höhere Renditen abwarfen als ihre Pendants ohne Nachhaltigkeitsschwerpunkt.

Quelle: justETF.com

Zwei Dinge sollen an dieser Stelle jedoch nicht unerwähnt bleiben.

  1. Die Renditen der Vergangenheit sind zwar ein guter Indikator, stellen allerdings keine Garantien für die zukünftige Entwicklung dar. Bitte behalte das im Hinterkopf, wenn du dich zwischen normalen und nachhaltigen Investments entscheidest.
  2. Die Entwicklungen im Aktienbereich lassen sich nicht eins zu eins auf andere Assetklassen übertragen.

Trotz dieser beiden Einschränkungen zeigen die drei vorgestellten ETFs, dass nachhaltige Geldanlage nicht grundsätzlich zu Lasten der Rendite gehen muss. Das könnte unter anderem daran liegen, dass nachhaltig geführte Unternehmen in Tendenz langfristig orientiert denken – eine wichtige Voraussetzung für dauerhaften Unternehmenserfolg. Und damit eben auch für steigende Aktienkurse.

Wir möchten diese Lektion mit einem Zitat abschließen, das wunderbar zum Ausdruck bringt, warum wir Stoiker unser Geld fair anlegen möchten – selbst wenn das eine leichte Underperformance bedeuten könnte.

„Wer sich der Gerechtigkeit widmet, tut dies nicht, um Belohnungen zu erhalten. Er tut es, weil es gerecht ist.“

– Marcus Aurelius

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Lektion #3

Mut

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