Lektion #2
Selbstbeherrschung
Geld clever anlegen
Ob im Leben, im Business, im Sport oder eben in der Geldanlage: Selbstbeherrschung ist eine essentielle Tugend, wenn es darum geht, erfolgreich in einem Bereich zu werden. Es ist eine Sache, eine Strategie auszuarbeiten. Wer seinen Plan aber nicht konsequent – allen Widrigkeiten zum Trotz – in die Realität umsetzt, der wird nie an sein Ziel kommen. Wer sein Geld clever anlegen möchte, der sollte sich daher unbedingt mit der mentalen Seite des Investierens beschäftigen.

In Panik sind wir wie Schafe
Immer blind der Herde nach!
Auch wenn wir es uns ungern eingestehen: Wir Menschen verhalten uns nur allzu oft wie eine Herde Schafe: Wir rennen unbewusst immer genau dorthin, wo alle anderen gerade auch hinwollen. Es ist ein bisschen so wie bei einem F-Jugend-Spiel im Fußball: Alle laufen dahin, wo der Ball gerade ist. Der eine Spieler, der im freien Raum stehen bleibt, ist hingegen völlig ungedeckt und hat freie Bahn zum Tor. Wer smart investieren will, der verhält sich genau wie der Spieler im freien Raum: Wir müssen dem Herdentrieb widerstehen und unserer Strategie treu bleiben, auch wenn alle anderen gerade nur den direkten Weg zum Ball im Kopf haben. Doch was ist beim Geld anlegen eigentlich der Ball, dem alle nachrennen?
Rational investieren
Wie du Gier und Angst beherrschst
Beim Investieren ist der Ball beispielsweise ein Börsencrash. Nach den ersten Kursrückgängen werden immer mehr Investoren nervös und verkaufen ihre Anteile. Diese Verkäufe sorgen für weitere Kursverluste, weshalb immer mehr „Schafe“ in Panik geraten und ihre Aktien zu immer günstigeren Preisen auf den Markt werfen. Leider sind Privatanleger in aller Regel die langsamsten Schafe auf dem Börsenparkett: Sie reagieren als Letztes und erleiden deshalb die höchsten Kursverluste.
Der Corona-Crash im Jahr 2020 ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie man nicht rational investiert. Als die Pandemie Anfang 2020 ihren Lauf nahm, reagierte die Börse schnell und stürzte innerhalb kürzester Zeit ab. So verlor beispielsweise der deutsche Leitindex DAX innerhalb weniger Wochen über 36 % an Wert. Viele Privatanleger verloren die Nerven und verkauften ihre Aktien voller Panik am Tiefpunkt des Crashes. Rückblickend war das – wie so oft – der denkbar ungünstigste Zeitpunkt für einen Verkauf, wie ein Blick auf den langfristigen Chart des DAX zeigt.

Wer sein Geld clever anlegen möchte, der folgt in solch schwierigen Marktlagen nicht blind der Masse und überlegt rational: Brauchen wir auch während einer Pandemie Lebensmittel, Smartphones und Glühbirnen? Ja, brauchen wir – und auch sonst wird sich die Welt weiterdrehen. Vielleicht mit der ein oder anderen Einschränkung, aber das geht vorüber. Wer diesen rationalen Überlegungen folgte und seine Selbstbeherrschung inmitten der Massenpanik an den Märkten nicht verlor, der nutzte den Crash sogar als günstige Einstiegsgelegenheit. Doch das war im Prinzip gar nicht nötig: Es hätte völlig gereicht, einfach nichts zu tun.
Oder wie Epiktet es kurz und knapp auf den Punkt brachte:
„Ertrage und enthalte dich.“
– Epiktet, griechischer Stoiker
Das gleiche Prinzip kann man bei Hypes beobachten. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Kryptowährungen – sie sind immer wieder der Ball im eingangs erwähnten F-Jugend-Spiel. Ein Blick auf den Chartverlauf von Dogecoin – einem sogenannten Memecoin ohne echten Anwendungsnutzen – veranschaulicht eindrucksvoll, was wir damit meinen.

Im April 2021 verfünffachte sich der Wert des Coins, worauf immer mehr Anleger auf den rasenden Zug aufsprangen – oder dem Ball blind nachrannten. Das trieb den Dogecoin-Kurs immer weiter in die Höhe. Irgendwann platzte die Sache dann aber – und der Kurs stürzte in den Keller, mehr oder weniger auf sein ursprüngliches Niveau. Alle Anleger, die während der Rallye bei Dogecoin eingestiegen waren, verloren einen Großteil ihres Kapitals. Je später sie einstiegen, desto größere Verluste mussten diese Anleger ertragen. Auch dieses Beispiel belegt, dass sich ein Großteil der Anleger leider wie eine Herde Schafe verhält: Immer blind der Masse hinterher.
Diesem „Herdentrieb“ zu widerstehen ist jedoch nicht so einfach, wie es im Rückspiegel aussieht. Die Angst vor schmerzhaften Verlusten lässt die Panik in uns hochkommen. Diese Panik macht rationales Investieren sehr schwierig, weil wir in diesem Modus dazu neigen, die Selbstbeherrschung zu verlieren und von unserem ursprünglichen Plan abzuweichen. Gleiches gilt für die Angst vor entgangenen Gewinnen: Alle anderen machen sich gerade die Taschen voll und ich soll nur zuschauen? Auf gar keinen Fall! Wie die beiden Beispiele jedoch eindrucksvoll zeigen, führt der Verlust der Selbstbeherrschung in Sachen Geldanlage fast immer zu schmerzhaften Verlusten.

An diesem Punkt wird klar, wie wichtig die stoische Tugend „Selbstbeherrschung“ für Privatanleger ist: Wer sein Geld langfristig clever anlegen möchte, der muss auch in schwierigen Situationen rational bleiben, die Lage in Ruhe analysieren und dann gegebenenfalls gegen den Strom schwimmen.
Smart investieren ohne Selbstbeherrschung wird also schwierig, aber wie „erlernt“ man diese Tugend? Eine Möglichkeit, seine Selbstbeherrschung zu verbessern, ist, sie im Alltag zu trainieren. Du stehst im Stau, hast einen wichtigen Termin und würdest vor Wut am liebsten in dein Lenkrad beißen? Hilft alles nichts – du kommst da jetzt nicht raus, egal was du tust. Akzeptiere deine missliche Lage, beruhige dich, beherrsche seine Emotionen und suche nach der besten Lösung: Wo macht es Sinn, die Autobahn zu verlassen, welche Umfahrung bringt dich schnellstmöglich an dein Ziel? Mach einen Plan und setzte diesen mit Ruhe und Gelassenheit in die Realität um – das ist Selbstbeherrschung.
Dein Kind quengelt an der Supermarktkasse und will unbedingt Süßigkeit XY, aber du sagst „Nein“? Bewahre im daraus resultierenden Geschrei die Ruhe, erkläre deinem Kind, dass sein Brüllen deine Meinung nicht ändern wird, ignorier die Blicke der anderen und räum deine Einkäufe in Ruhe in deinen Einkaufswagen – das ist Selbstbeherrschung. Du merkst, worauf wir hinaus wollen: Übe im Alltag, nicht jeder Emotion sofort nachzugeben und emotional zu reagieren – bleib rational. Dieses Verhalten wird dir dabei helfen, smart zu investieren. Neben dem allgemeinen Training der Selbstbeherrschung haben wir jetzt noch ein paar konkrete Tipps, wie du in Sachen Geldanlage rational bleibst und nicht beim kleinsten Gegenwind das machst, was alle anderen gerade tun.
Tipps und Tricks
Damit bleibst du rational

Die 3-Tage-Regel
Egal um welche Anlageentscheidung es geht: Schlaf mindestens drei Nächte darüber. Erst wenn du auch nach diesen drei Tagen zutiefst von deiner Entscheidung überzeugt bist, handelst du – vorher nicht. Heute ist es Dank Smartphone und Internet möglich, ganze Portfolios in wenigen Minuten aufzulösen. Das mag komfortabel und in manchen Fällen nützlich sein, macht die Umsetzung von Kurzschlussreaktionen aber sehr einfach. Ein paar Swipes und Klicks und schon wurde aus dem Trieb, der Herde zu folgen, eine reale Transaktion. Es gibt im Internetzeitalter kaum noch zeitliche Barrieren. Wer clever Geld anlegen möchte, muss daher Selbstbeherrschung zeigen, seine Emotionen im Zaum halten und sich selbst drei Tage Zeit geben, die Entscheidung noch einmal gründlich zu überdenken.
Kläre dein Warum
Du hast jetzt also drei Tage Zeit, in Ruhe darüber nachzudenken, warum du deine Anlagestrategie ändern möchtest. Die wichtigste Frage, die du dir jetzt stellen solltest, lautet: Warum habe ich mich vor einem, zwei oder drei Jahren für diese Anlage entschieden? Hat sich an diesen Gründen in der jüngsten Vergangenheit irgendetwas Grundlegendes verändert? Oder ist dein Investment Case nach wie vor völlig intakt – nur die anderen Marktteilnehmer folgen ihren Emotionen und sorgen so für Verkaufsdruck? Dann wäre es rational, weiter investiert zu bleiben.
Ein einfaches Beispiel: Aktie XY liefert Quartal für Quartal solide Zahlen und wächst gemessen am Gewinn und am Umsatz mehr oder weniger wie von dir erwartet. Aufgrund einer allgemeinen Marktpanik fällt Aktie XY dennoch um 30 %. Wer smart investieren möchte, der hält an seinen Anteilen fest, obwohl der Markt die Lage gerade anders bewertet. So sieht Selbstbeherrschung an der Börse aus, so können Privatanleger ihr Geld clever anlegen.
Die Frage nach dem „Warum“ solltest du dir übrigens auch bei Neuanlagen immer stellen – und die Antworten darauf am besten schriftlich festhalten. Warum verfügt diese Anlageklasse über ein für mich attraktives Chancen-Risiko-Verhältnis? Warum habe ich nicht vor zwei oder drei Jahren schon investiert? Warum könnte dieses Investment meine Renditeerwartungen nicht erfüllen?
Löse dich von deinen Emotionen
Denke Langfristig!
Im März 2022 markierte der Goldpreis bei knapp 2.000 US-Dollar je Feinunze ein neues Allzeithoch. In den folgenden Monaten folgte jedoch der Absturz auf rund 1.600 US-Dollar – ein Verlust von rund 20 Prozent innerhalb weniger Wochen. Während einige Anleger aufgrund dieser kurzfristigen Entwicklung nervös wurden und sich vielleicht sogar von ihren Goldbeständen trennten, um sich weiter Verluste zu ersparen, blieben stoische Investoren ruhig und behielten die Selbstbeherrschung. Und sie wurden belohnt – wie ein Blick auf den langfristigen Gold-Chart zeigt.

In Zeiten des unsoliden Geldes – und in solchen befinden wir uns seit mehreren Jahrzehnten – war Gold stets ein solides, langfristiges Investment. Und die Chancen stehen gut, dass das auch zukünftig so sein wird. Entsprechend war die kleine Korrektur im Frühjahr 2022 für uns Stoiker kein Grund, auch nur eine Sekunde an unserem Investment Case zu zweifeln: Wir blieben ruhig, haben uns auf unsere Selbstbeherrschung besonnen und hielten an unserer Anlage fest, weil sich am langfristigen Investment Case für Gold nichts geändert hat.
Clever Geld anlegen
Unmöglich ohne Selbstbeherrschung!
Wenn du deinem Investment gerade dabei zusehen musst, wie es von Tag zu Tag an Wert verliert, werden unweigerlich Emotionen in dir hochkommen: Habe ich einen Fehler gemacht? Habe ich zum falschen Zeitpunkt investiert? Hat sich das Umfeld für diese Anlage massiv verschlechtert? Oder habe ich etwas nicht mitbekommen? Gleiches gilt für die „Fear-of-Missing-out“ – die Angst, großartige Renditen zu verpassen, während alle anderen gerade scheinbar zu Millionären werden. Die aus solchen Emotionen entstehenden Kurzschlussreaktionen führen zu Handlungen, die in realen Verlusten enden – dem ultimativen Alptraum eines jeden Privatanlegers.
Wer sich die stoische Grundtugend der Selbstbeherrschung zu eigen macht und diese an den Kapitalmärkten umsetzen kann, dem stehen kurzfristige Emotionen und der gefürchtete Herdentrieb auf dem Weg zum finanziellen Erfolg nicht im Weg. Die in diesem Beitrag gezeigten Übungen und Verhaltensweisen werden dir dabei helfen, deine Strategie auch in schwierigen Situationen umzusetzen. Übe dich in Selbstbeherrschung und lerne rational zu investieren – diese Mentalität wird das Fundament für deinen langfristigen Erfolg in Sachen Geldanlage bilden.